Torferde: ein ethisches Dilemma

Torf ist der Allrounder in der Pflanzenzucht – als natürliche Ressource ist er allerdings nicht unendlich verfügbar und das Problematischste: Sein Abbau hat negative Auswirkungen auf unser Klima. Zeit, umzudenken

Zum Thema Torf gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Er ist ein wirksamer Zusatz in Substraten. Die Schlechte: So gut wie Moore für die Umwelt sind, so schlecht ist der Torfabbau für sie. Ein echtes Dilemma eben. Wie können wir unsere Pflanzen also mit dem bestmöglichen Nährboden versorgen und gleichzeitig unsere Moore schützen?



Es wird bereits viel zu Torfalternativen geforscht. Das Ziel: Die großen Vorzüge von Torf zu erreichen. Denn als Substratausgangsstoff ist er ein echter Allrounder. Torf kann viel Wasser speichern und es langsam wieder abgeben. Durch seine vorteilhafte Porengrößenverteilung kann er Wasser und Luft so gut speichern, dass die Wurzeln zu keiner Zeit einen Sauerstoffmangel erleiden. Der niedrige Nährstoffgehalt und der niedrige pH-Wert sorgen zudem für viel Spielraum, ihn easy mit Nährstoffen und Kalk individuell auf jede Pflanzenart anzupassen. Dazu ist Torf im trockenen Zustand sehr leicht, was ganz praktisch für den Transport ist.

Sind Moore die besseren Wälder?

Torf entsteht in Mooren. Hier steht das Grundwasser dauerhaft nahe der Oberfläche. Da die ganzjährig hohe Wassermenge allerdings zu einer schlechten Sauerstoffversorgung des Bodens führt, kommt es zu einem verzögerten Abbau der anfallenden Pflanzenteile. Die nicht oder nur unvollständig zersetzten Pflanzenteile nennt man Torf. Mit der Zeit reichert sich eine immer dicker werdende Schicht an. Für den Aufbau eines zehn Meter mächtigen Torfkörpers, braucht ein Moor immerhin ungefähr 10.000 Jahre. Du siehst, wirklich erneuerbar ist das nicht.

Besonders beeindruckend ist, dass die Pflanzenteile CO2 binden, und das nicht zu knapp: Moore bedecken zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche, speichern aber 20 Prozent des globalen organischen Kohlenstoffs! Im Vergleich zu Wäldern sind sie damit fünfmal so effizient und übertreffen sogar die Speicherkapazität von Ozeanen.

Auch im Hochwasserschutz sind Moore ziemlich gut: Ihre Torfböden sind sehr quellfähig und die Moose wirken wie Schwämme. Dadurch können diese Lebensräume schnell große Wassermengen speichern und peu à peu wieder abgeben. Sie sammeln Nähr- und Schadstoffe heraus und geben frisch gefiltertes Wasser wieder an die Gewässer ab. Somit sichern sie auch die Qualität des Grund- und unseres Trinkwassers.

Vom CO2-Speicher zur Treibhausgasschleuder

Für den Anbau von Pflanzen wird der Torf aus Hochmooren genutzt, da dieser aufgrund seiner Eigenschaften perfekt zu den Bedürfnissen von Pflanzen passt. 

Die ehemaligen großflächigen Hochmoore des nordwestlichen Mitteleuropas wurden alle erst zur Torfgewinnung für Brennmaterial und später für den Gartenbau genutzt. Bei der Umfunktionierung zu Ackerland wurden sie dann entweder völlig zerstört oder teilweise entwässert. Mehr als 60 Prozent der ehemaligen Moore auf dem europäischen Kontinent gelten heute als gestört. In den EU-Ländern sind sogar mindestens 80 Prozent der Moore nicht mehr intakt. Das hat zur Folge, dass auf lokaler bis regionaler Ebene fast alle dort heimischen Pflanzen und Tierarten aussterben oder stark gefährdet sind. 

Bei der Entwässerung geben sich die Pflanzenteile einen Schlagabtausch mit der Luft und werden zersetzt, wodurch große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Das hat zur Folge, dass durch Bewirtschaftung der entwässerten Moorböden rund 37 Prozent aller Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft freigesetzt werden. Und das, obwohl diese nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen. 

Wie schlimm steht es um die Moore?

In Naturschutzgebieten kann man stellenweise glücklicherweise wieder Regenerationsstadien von Hochmoorvegetation finden. Gerade im Hinblick auf die globale Erwärmung darf uns diese Entwicklung sehr happy machen, denn intakte Moore mindern die globale Erwärmung durch ihre effiziente Speicherung von CO2. Je mehr intakte Moore wir also haben, desto besser ist das für unser Klima.

Durch die Wiedervernässung können Moore wieder mehr CO2 speichern. Eine wirtschaftliche Folgenutzung kann in Paludikultur umgesetzt werden. Konkret heißt das, dass durch den Erhalt oder Aufbau des Torfkörpers Seggen, Schilf, Rohrkolben, Torfmoos oder Erlen angebaut werden können. 

Das schlechte Image wächst

n Deutschland ist die Verwendung von Torf im Gartenbau seit 2015 zurückgegangen, während die Verwendung von Torfersatzstoffen immer mehr zunimmt. Der Abbau unterliegt hier strengen Auflagen. Noch naturnahe Moorflächen sind inzwischen geschützt und dürfen nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Gering geschädigte Moore werden wieder vernässt, damit sie wieder als Nährstoff- und CO2-Senke herhalten können. Ab 2025 könnte der Abbau von Torf für den Gartenbausektor schließlich komplett verboten werden.

Um den Einsatz von Torf so weit wie möglich zu verringern und mehr und mehr Ersatzlösungen zu finden, ist im Koalitionsvertrag Ende 2021 als Ziel festgehalten worden, dass klimafreundliche Alternativen zur Minderung der Torfanteile zur Verfügung gestellt werden sollen.

Im Gegensatz zu Deutschland erfolgt der Abbau in anderen EU-Staaten überwiegend in naturnahen Moorgebieten, was mit erheblichen Auswirkungen auf Biodiversität und Klima verbunden ist. Weil die Auflagen nicht so streng sind, hat sich der Torfabbau weitgehend auf das Baltikum verlagert. Damit der Import an Torf also nicht einfach so steigt, ist es wichtig, auch auf EU-Ebene einheitliche Ziele festzulegen und umzusetzen.

Die Verbraucher:innen haben‘s in der Hand

Auch wenn in Deutschland das Bewusstsein für Moorschutz immer mehr wächst, gibt es noch ein grundsätzliches Problem: Die Bereitschaft, den entsprechenden Preis für Blumenerde zu zahlen, hat sich noch nicht überall durchgesetzt. Ein großer Teil der heute in Deutschland verwendeten Torfe kommt inzwischen nicht mehr aus Deutschland, sondern aus den baltischen und russischen Hochmooren. Dort wird zu geringeren Lohnkosten und niedrigeren Umweltauflagen zu Lasten des Klimas, der arbeitenden Personen und der Natur produziert. 

Wie Torf künftig ersetzt werden kann, daran forscht Armin Blievernicht, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin. Es gibt bereits einige Stoffe, die sich gut dafür eignen, Torf zu ergänzen oder sogar komplett zu ersetzen. Allerdings sind sie in ihrer Zusammensetzung noch viel zu variabel, um sie für Substrate im professionellen Anbau zu etablieren. Eine weitere Herausforderung ist, dass mögliche Alternativen noch nicht in einer ausreichenden Menge verfügbar sind, da die Nachfrage schlichtweg zu gering ist.

“Die geringe Nachfrage bedingt gleichermaßen das geringe Angebot”

sagt Blievernicht.

Ein Ende des Torfabbaus ist in Sicht

Die gute Nachricht: Bereits die Reduzierung des Torfeinsatzes in Kultursubstraten kann die Emissionen erheblich senken. Inzwischen haben sich sogar viele verschiedene Stoffe im Hobbybereich durchgesetzt. So zum Beispiel Tongranulat und Perlite. Sie erhöhen die Wasserspeicherkapazität und haben gegenüber Torf den Vorteil, dass sie strukturstabil sind und ihre tollen Eigenschaften nach einer Trockenperiode nicht verlieren. 

Eine weitere Möglichkeit sind Torfmoose (Sphagnum): Sie sind Torf in ihren Eigenschaften sehr ähnlich. Das Moos wächst auf dem Torf und der Abbau ist bislang noch mit erheblichen Schäden für das Moor verbunden. Forschungsteams sind aber bereits dabei, Anbaumöglichkeiten für die Substratproduktion zu entwickeln. Sogenanntes Sphagnum Farming hat das Potenzial, den Torf zukünftig komplett abzulösen. Bis dahin vergeht wohl aber noch eine Weile, denn bisher konnten nicht für alle Pflanzen gute Ergebnisse erreicht werden.

“Forschung ist ein Prozess, bei dem eine stetige Verbesserung erzielt wird. An herkömmlichen Torfsubstraten wurde auch lange geforscht, um die jetzige Qualität zu erreichen”

sagt Blievernicht dazu.

Buying is voting: Zu der Zerstörung der Moore haben nicht nur Landwirt:innen beigetragen, denn sie konnten unter ökonomischen Zwängen oft nicht anders. Es liegt auch an uns als Abnehmer:innen dieser Substrate, die Moore zu schützen, indem wir entscheiden, was wir mit unserem Kauf unterstützen. Im Hobbybereich gibt es bereits gute Alternativen. Auch Küchenkräuter lassen sich inzwischen auch in torffreien Erden kaufen.

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